Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 01.11.16 |
von Hans Gärtner
„Keine Sorge – es wird wunderschön!“ Womit die Dramaturgin
am Salzburger Landestheater das
Stehpublikum ihrer Einführung in Engelbert Humperdincks „Märchenspiel in drei
Bildern“ auf seine Plätze in der Felsenreitschule entließ. Sorge? Wo man doch
zur Premiere einer der meistgespielten Opern der Welt kam? Die hätte freilich
auch sozialkritisch und verfremdet à la Regietheater ausfallen können. Daher
die gemutmaßte Sorge. Doch wer den Regisseur Johannes Reitmeier, Intendant des
Tiroler Landestheaters, noch aus seiner Zeit als Leiter des Südostbayerischen
Städtetheaters kennt, hatte diese Befürchtung nicht.
Allerdings zeigte Reitmeier sich nicht als reiner
Traditionalist. Er führte schon während der Ouvertüre die die ganze Breite der
Salzburger Felsenreitschul-Bühne gut füllende, von Wolfgang Götz wohl
präparierte Kinderschar ein, die eigentlich erst im Schluss-Bild aus ihrer
Lebkuchenverwandlung durch die Waldzauberin erlöst werden und, mit dann
geöffneten Augen, den bewegenden Schlusschor singen darf. Auch brachte Reitmeier
gleich die Hexe, verkleidet als Clown ins Spiel, der dem Besenbinder-Vater von
Hänsel und Gretel alle neuen Handwerks-Produkte
gegen einen mit Naturalien gefüllten Einkaufswagen eintauschte.
Mit Verwandlung und Eintausch arbeitete die Regie erfolgreich
weiter – bis hinein in die Wendung vom Armeleute- zum Knusperhäuschen, für
welches Ausstatter Court Watson zwar die hübsche Idee, es mit zwei Mozartkugeln
als Lokalspezialitäten zu bestücken, sonst aber weiter nicht viel romantische Verspieltheit
aufbrachte; hätte er doch getrost mehr Dynamik (in Fortführung von Hänsels
Fahrrad) auf die Bretter bringen und den kümmerlichen Baumbestand und die zu Bergen
aufgetürmten Holzstapel durch einen gruselig düsteren, richtig furchterregenden
tiefen Tann ersetzen können.
Höchst angetan war man von den reizvoll kostümierten, lieblich
singenden Figuren des Sandmännchens (Rowan Hellier) und des Taumännchens
(Tamara Ivanis), vor avon der (erst stummen, von Pierre Caesar gemimten) kernig
singenden, bezirzend agierenden Hexe des Franz Supper. Man hörte förmlich
Wagners „Siegfried“-Mime und hatte seine Freude daran, wie Suppers dicke
Korsett tragende Vettel, die so lüstern nach kleinen Kindern ist, ihr
Reifrock-Gestell als Gefängnis für Hänsel nützte. Dass sich der bekannte Wagner-Bariton
Jukka Rasilainen nicht zu schade war, den Vater und die 2009 als superbe
„Parsifal“-Kundry gefeierte Anna Maria Dur die Mutter zu geben, hatte für Aug`
und Ohr nur Vorteile.
So wurde Richard Wagner schon in Szenerie und Casting
gegenwärtig – erst recht durch das famose, eingängige Dirigat des Ersten
Salzburger Landestheater-Kapellmeisters Adrian Kelly am Pult des ihm ganz
ergebenen Mozarteumorchesters Salzburg und des Festspiel-Theater-Kinderchors. Engelbert
Humperdinck wurde hier nicht als Wagner-Epigone, sondern sehr differenziert als
von seinem Bayreuther Lehrmeister inspirierter Komponist präsent.
Vortrefflich: die beiden Titelfiguren (s. Foto). In Spiel,
Mimik, Gestik und vor allem Gesang. Athanasia Zöhrer überspielte ihre leichte
Pummeligkeit überzeugend durch die schlanke, betörende Melodramatik ihres
mädchenhaft-frischen Sopran, und ihre Partnerin Elisabeth Jansson schuf mit
ihrem sexy burschikosen Stil in Aktion und Mezzo-Ausdruck geradezu das
Idealbild eines hinreißend liebenswerten, für sich einnehmenden Hänsel. Das
ganze Team wurde vom Premierenpublikum zu Recht lautstark und lange mit Applaus
bedacht.
Folgeaufführungen im November: 5., 13., 18., 20. und 23.
11., im Dezember: 10., 16. und 18. 12. Achtung: Am 15. 11. und 8. 12. sind
Kurzversionen für junges Publikum angesetzt. Die Anfangszeiten variieren. www.salzburger-landestheater.at
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