Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 03.11.16 |
von Hans Gärtner
Es
ist bekannt, dass der Niederländer Jan Toorop (1888 bis 1926), wohl zur Rettung
seiner Ehe, 1905 zum Katholizismus konvertierte. Da hätte es nahe gelegen, sein
Werk in München beim Verein Christlicher Gegenwarts-Kunst auszustellen. Doch
Toorops Schaffen macht sich – mit gut 200 unterschiedlich großen Exponaten –
vielleicht doch besser in der Villa seines bayerischen Kollegen Franz von Stuck,
die ja zu den schönsten Museen der Isar-Metropole gehört. Kollegen? Stuck und
Toorop sind beide, letztlich, unter die Symbolisten einzuordnen. Insofern sind
sie verwandt, wenn auch nicht seelen-, so doch in ihrer Kunst verwandt.
In
der von Gerard van Wezel, Gemeentemuseum Den Haag, kuratierten großen
Überblicks-Schau lässt das Symbolistische des hierzulande viel zu wenig
bekannten Jan Toorop den Besucher immer wieder tief durchatmen. Farbe ist in
den oft monumental ausgreifenden Sybolismus-Belegen des versierten,
verträumten, fantastischen Malhandwerkers Jan Toorop nicht selten nur zu ahnen.
Die Grenzen zwischen Malerei und Zeichnung verschwimmen merklich. Gut ablesbar
ist das an dem Riesen-Blatt „Fatalismus“ aus dem Jahr 1893. Farb-Spiel und
Linienführung sind in eigenartiger, rhythmisch weit ausschwingender Weise
miteinander verwoben. Die Braun- und Goldtöne, unterbrochen vom todes-betonten
tiefen Schwarz des langen Gewandes der goldgekrönten, finster blickenden
Allegorie-Gestalt, sind hochkomplex, wenn sie von Baumwurzelwerk und dem kühn
geschwungenen Goldtuch einer leichenblassen
Schwebenden noch weiter verrätselt werden. Womit arbeitete Toorop hier? Mit
schwarzer und goldgelber Kreide, mit Bleistift und kunstvollen Weißhöhungen.
Mit
elf Jahren betrat Toorop, in der niederländischen Kolonie Java 1858 geboren,
erstmals europäischen Boden. Man kennt ihn heute als einen dem großen James
Ensor ebenso wie dem nicht weniger berühmten Piet Mondrian nahegestandenen
Künstler, der keineswegs nur deren Dekorativ-Tendenzen nachhing und sie
weiterführte, sondern gesellschaftliche Themen und Mystisches in sein Schaffen
einbezog. Auch wenn Toorop das Naturalistische immer angelegen war und er aus
der Natur Formen und Gestaltungselemente übernahm, kam er, noch keine vierzig
Jahre alt, zu einer Ästhetik, die mehr und mehr ins Symbolistische driftete.
Verklärung und Überhöhung sind selbst aus Toorops Buchillustrationen nicht
wegzudenken.
Den
Hang zum rein Dekorativen mag man Toorop vorwerfen – da hat ihm sein Kollege
Franz von Stuck durchaus Handfesteres und vor allem viel Mythologisches
entgegen zu setzen – doch darf man nicht vergessen, dass Toorop auch sein Leben
bestreiten musste, und dafür eignete sich das rein Schmückende sehr wohl.
Mit
knapp 70 Jahren verabschiedete Jan Toroop sich aus dieser Welt, dort, wo die
grandiose Münchner Schau seines vieldeutigen Werkes „geboren“ wurde: in Den
Haag. Hier schuf er vor etwa 100 Jahren einen Kreuzweg, seine wohl größte
religiöse Arbeit, 1919 fertiggestellt. Da litt der Künstler bereits an einer
Krankheit, die ihn körperlich schwer beeinträchtigte. Ein Jahr später konnte er
das linke Bein nicht mehr bewegen und saß im Rollstuhl. Mehr und mehr wurden
seine den letzten physischen Reserven abgetrotzten Arbeiten katholisch-theologisch
durchsetzt. Zeichnungen und Grafiken der letzten Lebensjahre Toorops zeugen von
dessen abgeklärter Auseinandersetzung mit Fragen und Intentionen des
Katholizismus.
Die
Toorop-Ausstellung ist bis 29. Januar im Münchner Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße
40, zu sehen, geöffnet Dienstag bis Sonntag jeweils von 11 bis 18 Uhr. Man
sollte die Möglichkeit der Abendöffnung „Friday late“ jeweils am ersten Freitag
im Monat nützen. Bei freiem Eintritt kann man da Jan Toorop von 18 bis 22 Uhr
nahe sein.
Foto (Hans Gärtner)
Monumentaler
Symbolismus: Jan Toorops Blatt „Fatalismus“ ausdem Jahre 1893
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