Erschienen in Ausgabe: No. 34 (4/2008) | Letzte Änderung: 14.05.09 |
von Annette Schavan
In wenigen Tagen
ist Weihnachten. Millionen Christen weltweit feiern das Fest der Geburt
Christi. Wir feiern das Kind in der Krippe, von dem Hoffnung ausgeht für alle
Menschen. Dieser Geburtstag gehört zum Fundament unserer Kultur. Religion
gehört in die Mitte der Gesellschaft. Kinder und Jugendliche haben einen
Anspruch darauf, dass sie erfahren, worauf Menschen seit über zweitausend
Jahren ihre Hoffnung setzen. Dafür brauchen wir den konfessionellen
Religionsunterricht in den Berliner Schulen als Wahlpflichtfach für alle
Schülerinnen und Schüler.
Der Staat ist
auch in der Stadt Berlin zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität
verpflichtet. Er darf selbst nicht parteiisch sein, sondern muss den
unterschiedlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften eine
gleichberechtigte Chance geben. Schülerinnen und Schüler müssen die freie Wahl
haben, ob sie in den Ethik- oder in den Religionsunterricht gehen wollen. Diese
Freiheit gibt es im Moment in Berlin nicht. Um dieses Recht auf freie Wahl geht
es bei Pro Reli. Ethikunterricht ist nicht bekenntnisfrei und neutral.
Werturteile setzen immer einen eigenen Standpunkt voraus. Religion ist mehr als
Ethik. Und die Vermittlung von Grundwerten und Haltungen ist Unterrichtsprinzip
für alle Fächer. Auch in Mathe kann man Gerechtigkeit lernen.
Dass es die
Freiheit der Wahl nicht gibt in einer Stadt wie Berlin, deren Geschichte immer
auch die Geschichte eines Kampfes für eben diese Freiheit war, ist erstaunlich.
Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf diese Freiheit. Viele Menschen in
dieser Stadt besuchen evangelische, katholische, orthodoxe, jüdische und
muslimische Gottesdienste. In vielen Familien wird der Glaube an Gott gelebt.
Berlin ist keine gottlose Stadt, sondern Heimat für viele Kulturen und
religiöse Bekenntnisse. Gerade WEIL Berlin eine Stadt ist, in der mehr als
anderswo Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionszugehörigkeit
zusammenleben, müssen die Voraussetzungen für Dialog und Toleranz da sein: Dazu
ist ein eigener Standpunkt notwendig und das Wissen darum, dass Religion zum
Menschen gehört. Religion und Freiheit sind kein Widerspruch. Pro Reli ist die
Gelegenheit für alle Berlinerinnen und Berliner, mehr Gelassenheit und
Vertrauen im Umgang mit Religion einzuüben. Das macht Berlin noch
faszinierender und lebendiger.
Text erschien in der Berliner Zeitung vom 15.12.2008
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