Erschienen in Ausgabe: No. 21 (1/2005) | Letzte Änderung: 20.05.09 |
Vertrauen in Deutschland - eine Ermutigung
von Johannes Rau
I. Das
ist die letzte "Berliner Rede", die ich als Bundespräsident halte. Ich
habe in den vergangenen Jahren bei dieser Gelegenheit meine Position zu
grundsätzlichen Fragen formuliert. Ich habe Orientierung zu geben
versucht, wie die Menschen sie von den politischen Repräsentanten ihres
Landes erwarten. Ich habe über die Integration von Zuwanderern
gesprochen, über Fortschritt nach menschlichem Maß, über die notwendige
Gestaltung der Globalisierung und über Deutschlands Rolle in der Welt.
Ich
will heute über das Thema sprechen, das ich in der politischen Debatte
derzeit für das wichtigste halte. Und ich wende mich dabei an alle,
denen die Zukunft unseres Landes am Herzen liegt -an die, die heute
Verantwortung tragen und auch an die, die Verantwortung übernehmen
könnten und übernehmen müssten, damit unser Land aus einer schwierigen
Lage herauskommt und neue Zuversicht und neue Dynamik gewinnt.
Ich
meine nicht die Steuerpolitik, ich rede nicht über das Renten- oder das
Gesundheitssystem. Ich rede auch nicht über den notwendigen Umbau des
Föderalismus, nicht über die dringend erforderliche Veränderungen in
unserem Bildungswesen und auch nicht über die gerechte Umgestaltung des
Sozialstaats.
Nein, ich will über das sprechen,
was die Grundlage ist für jegliche Veränderung. Ich will über das
sprechen, was nach meiner Erfahrung die notwendigen Veränderungen in
unserem Land überhaupt erst möglich macht: Ich rede von Vertrauen und
Verantwortung.
II. Seit
Jahren schon wird uns ein Bild immer wieder vor Augen gestellt: Wir
stehen vor einem riesigen Berg von Aufgaben und Problemen. Wenn wir
nicht alles anders machen als bisher, so drohen uns, heißt es,
Niedergang, Zusammenbruch, Abstieg oder andere Katastrophen.
Untergangsszenarien
und Apokalypsen sind ja eigentlich Mittel von politischen Außenseitern,
die gesellschaftliche Veränderungen erzwingen wollen.
Heute
kommen solche Beschreibungen oft auch von Verantwortlichen aus der
Mitte von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Das Ziel ist das
Gleiche: Untergangsszenarien sollen mithelfen, bestimmte Ziele
durchzusetzen und dafür Mehrheiten zu gewinnen.
Heute,
da so viel von Zukunft die Rede ist, ist so wenig Zuversicht zu spüren,
so wenig Selbstvertrauen und so wenig Vertrauen in die Zukunft. Viele
scheinen von der Zukunft vor allem Schlechtes zu erwarten. Dafür gibt
es manchen Grund, und viele Sorgen sind berechtigt.
Entscheidend
ist aber: Wo Vertrauen fehlt, regiert Unsicherheit, ja Angst. Angst vor
der Zukunft ist der sicherste Weg, sie nicht zu gewinnen. Angst lähmt
die Handlungsfähigkeit und trübt den Blick für das, was in Staat und
Gesellschaft tatsächlich grundlegend verändert werden muss, was neuen
Bedingungen angepasst werden soll und was auf jeden Fall bleiben muss.
Die
Zukunft kommt ja nicht einfach auf uns zu. Wir müssen sie nach unseren
eigenen Vorstellungen gestalten. Wir wollen schließlich, dass wir auch
in Zukunft friedlich und in Freiheit miteinander leben können -in
einer Gesellschaft, in der Leistung etwas gilt und die Gerechtigkeit
und Solidarität lebt.
Wenn wir diese Zukunft
gestalten wollen, wenn wir sie menschlich gestalten wollen, dann
brauchen wir zweierlei: Vertrauen in die, die für uns Verantwortung
tragen und die Bereitschaft, selber Verantwortung zu übernehmen. Ich
bin fest davon überzeugt, dass wir die notwendigen Veränderungen
schaffen können. Genauso fest glaube ich aber, dass der Mangel an
Vertrauen und Verantwortungsbereitschaft der eigentliche Grund für die
massive Verunsicherung ist, für die an vielen Stellen pessimistische
Stimmung und für die mangelnde Kraft zur Veränderung.
Wir
alle wissen: Vertrauen kann man nicht anordnen, nicht befehlen.
Vertrauen kann man nicht beschließen. Vertrauen muss wachsen. Vertrauen
wächst zwischen einzelnen Menschen, in Gemeinschaften und muss eine
ganze Gesellschaft prägen.
Ohne Vertrauen können Menschen nicht friedlich miteinander leben.
Ohne Vertrauen werden wir unsere Probleme nicht lösen.
Erst
Vertrauen schafft das Klima für wirtschaftlichen Erfolg, für
wissenschaftlichen und sozialen Fortschritt, für technische Innovation.
III. Tatsächlich
aber ist Verunsicherung so etwas wie ein allgegenwärtiges Gefühl
geworden, das unsere gesamte Gesellschaft erfasst. Das ist
lebensgefährlich.
Natürlich gibt es auch ein
falsches Sicherheitsgefühl, das Neugier, Wagemut und Unternehmensgeist
bremst. Wenn neue Entwicklungen verschlafen oder verhindert wurden,
kritisieren wir das zu Recht.
Wir müssen aber
träge Bequemlichkeit genau unterscheiden von der notwendigen
Grundsicherheit, die jeder Mensch braucht, damit Sorgen und Angst ihn
nicht lähmen. Auch Verunsicherung erzeugt Lähmung. Menschen ohne
Grundvertrauen sind nicht besonders leistungsfähig, weder besonders
leistungsbereit noch besonders risikofreudig.
Es
ist ein Irrtum zu glauben, dass man Menschen zu besserer oder zu mehr
Leistung motivieren kann, wenn sie ständig Angst haben müssen, ihren
Arbeitsplatz zu verlieren oder im Alter in Not zu geraten. Jeder Mensch
braucht eine gewisse Grundsicherheit, damit er den Kopf frei hat, auch
für Anstrengung und Erfolg im Beruf.
Wenn wir
unsere Gegenwart realistisch beschreiben wollen, müssen wir auch
fragen, ob tatsächlich so vieles schwierig und unsicher ist, ob
tatsächlich so vieles schlecht und erneuerungsbedürftig ist, so vieles
abgebaut und umgebaut werden muss -oder ob vieles einfach schlecht
geredet wird.
Haben wir uns vielleicht selber
inzwischen so schlecht geredet, dass wir uns nichts mehr zutrauen?
Nähern wir uns gelegentlich nicht einer Art kollektiver Depression?
Ich
wüsste kein Land, in dem so viele Verantwortliche und Funktionsträger
mit so großer Lust so schlecht, so negativ über das eigene Land
sprechen, wie das bei uns in Deutschland geschieht.
Das
bleibt nicht ohne Folgen. Wir haben inzwischen ein so dunkles Bild von
uns selber gewonnen, wie wir es in früheren Jahren nie gehabt haben.
Natürlich
gibt es haarsträubendes Versagen und objektive Missstände. Die
peinlichen Pannen um die LKW-Maut sind allen im Gedächtnis. Oder das
unendliche Gezerre um die Einführung des Dosenpfands, das der
Gesetzgeber schon vor dreizehn Jahren beschlossen hat; alle hatten doch
Zeit genug, sich darauf einzustellen. Oder das neue Preissystem, das
die Bahn -trotz vieler Warnungen- mit großem Aufwand eingeführt hat,
und das sich schon bald darauf als reichlich kundenfern herausstellte.
Solche
und ähnliche Missstände sind tatsächlich ärgerlich. Was mich allerdings
noch mehr stört: Sie gelten nicht mehr als behebbare Einzelfälle von
Inkompetenz, sondern sie werden inzwischen als etwas für uns Typisches
wahrgenommen. Statt mit Tatkraft und einem Schuss Pragmatismus zu
sagen: Das können wir besser und das machen wir jetzt besser, bricht,
auch publizistisch, eine endlose Klage- und Selbstanklagewelle über uns
herein.
Wir fangen schon an, hämisch und
schulterzuckend über uns selber zu sprechen. Gelegentlich kann man den
Eindruck gewinnen: Unser Land, seine Zukunft, das alles bedeutet vielen
nichts mehr.
Und wir wissen ja: Wenn es einmal
einen bestimmten Trend gibt, dann wird alles in diesen Trend
eingeordnet und all das, was dagegen spricht, nicht mehr wahrgenommen.
IV. Der
Vertrauensverlust in unserem Land hat aber auch ganz handfeste Gründe.
Es sind ganz konkrete Handlungen und Einstellungen, Worte und Taten,
die immer mehr Menschen tiefes Misstrauen einflößen.
Wir
müssen zum Beispiel erleben, dass einige, die in wirtschaftlicher oder
öffentlicher Verantwortung stehen, ungeniert in die eigene Tasche
wirtschaften. Das Gefühl für das, was richtig und angemessen ist,
scheint oft verlorengegangen zu sein. Egoismus, Gier und
Anspruchsmentalität in Teilen der sogenannten Eliten schwächen auch das
Vertrauen in die Institutionen selber, wenn deren Repräsentanten
offenbar alle Maßstäbe verloren haben.
Wir
müssen in den Debatten über Veränderungen und Reform auch erleben, dass
allzu oft das Gemeinwohl vorgeschoben wird, wo es um nichts als
Gruppenegoismus, um Verbandsinteressen oder gar um erpresserische
Lobbyarbeit geht.
Häufig glauben die Bürgerinnen
und Bürger einfach nicht mehr, was sie hören und sehen. Sie machen zu
oft die Erfahrung, dass man vielem, was in aller Öffentlichkeit gesagt
wird, nicht trauen kann. Es ist auch kein Ausweis des Vertrauens, wenn
über manche, die in der Öffentlichkeit stehen, gesagt wird: "Denen ist
alles zuzutrauen."
Gewiss: Jeder kann sich
gelegentlich irren. Was man heute aus Überzeugung vertritt, kann durch
neue Umstände überholt werden. Das ist so, und das sollte man dann auch
öffentlich sagen. Aber die bewusste Manipulation der Wahrheit oder der
Tatsachen zerstört Vertrauen -manchmal endgültig.
V. Vertrauen
in die Politik wird auch zerstört, wenn der Eindruck entsteht, in
nahezu jeder Frage gehe es in erster Linie darum, wer sich gegen wen
durchsetzt, wer wem am meisten schadet, wer zurückgesetzt wird oder
sich wieder ein Stück weiter nach vorne gekämpft hat.
Dadurch
werden nicht nur wichtige Sachfragen als Nebensache behandelt, so dass
am Ende oft das Falsche oder Dilettantisches herauskommt. Dadurch
entsteht auch der fatale Eindruck, in der Politik komme es letztlich
nur darauf an, wer die Macht hat und nicht so sehr darauf, was er mit
ihr macht. Dann wären wir bei Lenin angekommen, für den sich alle
Politik auf die Frage reduzierte: Wer wen?
Die
Entwicklung bei den Gesprächen über ein Integrations- und
Zuwanderungsgesetz ist ein besonders schlimmes Beispiel für diese Art
von Politik.
Natürlich geht es in der Politik um
Macht und auch um Machtkampf und Machtanteile. Politik muss aber in
erster Linie ein Streit um Ziele und um die besten Lösungen sein.
Politik muss sich an Wertvorstellungen und an Grundsätzen orientieren,
die man erkennen kann.
Sonst trauen immer mehr
Menschen am Ende den Politikern alles zu, nur nicht, dass sie sich
wirklich für die Bürgerinnen und Bürger einsetzen, die sie gewählt
haben.
Besonders vertrauenszerstörend ist die
offenbar anhaltende Wirkungslosigkeit all dessen, was die
Arbeitslosigkeit beseitigen soll -und die gegenseitige Schuldzuweisung
aller Beteiligten. Wir wissen alle: Die Arbeitslosigkeit ist die größte
Wunde der Gesellschaft. Wie viel Hoffnungen, wie viel Lebensmut werden
hier zerstört! Wie viel guter Wille, wie viel Leistungsbereitschaft
bleiben hier ungenutzt! Wie groß und wie weitverbreitet ist das Gefühl,
nicht gebraucht zu werden, ja wertlos zu sein! Keine Aussicht auf
Arbeit und Beschäftigung zu haben: Das kann jedes Vertrauen in die
Zukunft zerstören -in die eigene und in die der Gesellschaft.
Niemand
hat ein Konzept mit Erfolgsgarantie. Ich auch nicht. Ich weiß aber,
dass die Vertrauenskrise in unserer Gesellschaft, das ständige
Schlechtreden von allem und jedem viele Unternehmer davon abhält zu
investieren, und viele Bürgerinnen und Bürger davon abhält zu kaufen.
Wirtschaft und Wirtschaftspolitik bestehen bekanntlich zu fünfzig
Prozent aus Psychologie. Unsere Wirtschaft wird nur in einem Klima des
Vertrauens neuen Schwung bekommen.
VI. Eine wichtige Grundlage für Entscheidungen, die heute getroffen werden müssen, sind Prognosen und Voraussagen.
Auch
hier wachsen Zweifel: Welche Prognosen sind seriös? Werden Voraussagen,
die für die meisten Menschen handfeste Folgen haben, wirklich immer
nach bestem Wissen und Gewissen gemacht? Sind sie nicht oft
interessengeleitet? Wird nicht manches besonders hoch und anderes
herunter gerechnet? Werden nicht bestimmte Wertungen zu Grunde gelegt,
aber nicht offengelegt?
Wir hätten schon viel
gewonnen, wenn Prognosen und Voraussagen regelmäßig, nach einem Jahr,
nach zwei oder fünf Jahren darauf überprüft werden, was sie wirklich
wert waren. Schon das könnte eine heilsame Wirkung haben. Dann könnte
man sogar aus Fehlprognosen lernen.
Leichtfertige
Prognosen, die irgendeinen Niedergang vorhersagen, wenn nicht sofort
dies oder jenes geschieht, zerstören Vertrauen genauso wie Versprechen,
von denen man wissen kann, dass sie nicht einzuhalten sind.
Das
geschieht trotz besseren Wissens immer wieder, und darum haben viele
Menschen sich mittlerweile darauf eingestellt, vorsichtshalber erst
einmal gar nichts mehr zu glauben.
Diese Haltung
führt über Politikverdrossenheit hinaus zur völligen Abkehr vom
politischen Leben. Kein demokratischer Staat hält es auf Dauer aus,
wenn sich immer stärker eine Haltung des "Wir da unten, die da oben"
durchsetzt. Gewohnheitsmäßiges Misstrauen in die Politik untergräbt die
Fundamente der Demokratie und ist ein riesengroßes Einfallstor für
Populisten und schreckliche Vereinfacher aller Art. Die haben auf alles
eine Antwort und für nichts eine Lösung.
VII. Misstrauen
wächst auch dann, wenn wichtige politische Entscheidungen in immer
kleineren Kreisen getroffen werden. Nun weiß jeder, dass es manchmal
wirklich nötig ist, sich hinter verschlossenen Türen zu beraten, um zu
einem Konsens oder zu einem Kompromiss zu kommen, den alle mittragen
können.
Solche Vereinbarungen schaffen nur dann
Vertrauen, wenn die Verständigung echt ist, wenn kein fauler Kompromiss
kaschiert wird und wenn alle sich an das halten, was sie gemeinsam
verabredet haben. Wenn die Verfallszeit von Verabredungen aber kürzer
ist als die eines Bechers Joghurt, dann schürt das den Eindruck, dass
die politisch Verantwortlichen sich letztlich nicht verständigen wollen
oder können.
Besonders schädlich ist es, wenn sich
immer mehr das Gefühl breit macht: "Die da oben können es nicht -und
zwar auf allen Ebenen und auf allen Seiten." Ein Umfrageergebnis ist in
der Nachkriegsgeschichte übrigens absolut neu: Noch nie hatten so wenig
Menschen in Deutschland Vertrauen in die Politik einer Regierung -und
noch nie haben gleichzeitig so wenige geglaubt, die Opposition könne es
besser.
Das ist der Ausdruck einer
tiefgreifenden Vertrauenskrise. Von Ausnahmen abgesehen, geht die
Beteiligung bei Wahlen bedenklich zurück. Auch langjährige Mitglieder
wenden sich von den Parteien ab. In manchen Gegenden fehlen schon
Kandidaten für die Wahlen in den Städten und Gemeinden.
Darin
drückt sich für mich das gefährlichste und verhängnisvollste Misstrauen
aus: Das fehlende Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, etwas
verändern und etwas gestalten zu können. Das trifft nicht nur die eine
oder die andere Partei, das richtet sich gegen unser Gemeinwesen als
ganzes. Hier droht eine innere Auswanderung aus unserer Demokratie, die
wir nicht tatenlos hinnehmen dürfen.
Noch
erleben wir keine wirklich bedrohlichen Äußerungen von Enttäuschung und
Wut. Wir müssen aber einen stillen Abschied und privaten Zynismus
beobachten, resigniertes Schulterzucken von Menschen, die von der
Politik nichts mehr erwarten. Das geht oft einher mit fehlendem
Vertrauen in die eigene Zukunft.
VIII. Es
ist höchste Zeit, etwas dafür zu tun, dass wir die Vertrauenskrise
überwinden, in die unsere Gesellschaft geraten ist. Wir müssen die
Grundlagen des Vertrauens wiedergewinnen. Schönreden hilft da nicht.
Wir werden uns anstrengen müssen.
Die Politik muss
die Initiative wiedergewinnen gegenüber wirtschaftlichen und anderen
Einzelinteressen. Die politische Gestaltung muss zurück in die
Parlamente. Die Abgeordneten müssen mit ihrer Stimme die Richtung
bestimmen und nicht bloß Beschlüsse von Kommissionen und Konsensrunden
verabschieden.
Dazu brauchen wir zunächst einmal
eine verständliche politische Sprache. Oft hören wir ja ein seltsames
Gemisch aus Abkürzungen und Neubildungen, aus halb verdeutschtem
Englisch oder aus absichtlicher Schwammigkeit, aus Verharmlosung und
Fachchinesisch.
Was man nicht verstehen kann -und
vielleicht auch nicht verstehen soll- das schafft kein Vertrauen.
Manchmal glauben die Menschen auch, die Redner wüssten selber nicht so
genau, worüber sie sprechen, so abstrakt und lebensfern hört sich
vieles an.
Eine verständliche und klare Sprache ist aber notwendig, auch im öffentlichen Streit mit Wort und Widerwort.
Und
nichts stärkt das Vertrauen der Menschen mehr als die Übereinstimmung
von Wort und Tat. Das ist der einfachste Weg, um Glaubwürdigkeit zu
gewinnen -und der ist schwer genug: Sagen, was man tut, und tun, was
man sagt.
Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, aber
auch Pflichtbewusstsein und Anstand sind Tugenden, auf die wir nicht
verzichten können. Wir müssen darauf vertrauen können, dass jede und
jeder, da, wo sie Verantwortung tragen, ihre Pflicht tun, dass sie
wahrhaftig sind und sich anständig verhalten.
Wir
müssen darauf vertrauen können, dass Handwerker ordentlich arbeiten und
korrekt abrechnen. Und die müssen darauf vertrauen können, dass ihre
Rechnungen pünktlich bezahlt werden. Wir müssen uns darauf
verlassen können, dass Manager in erster Linie an das Unternehmen,
seine Anteilseigner und Beschäftigten, denken und nicht an ihre eigenen
Abfindungen oder Aktienoptionen. Wir müssen uns darauf
verlassen können, dass wir richtig beraten werden, bei der Bank, beim
Einkaufen, beim Abschluss von Verträgen. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass nicht nur bei Lebensmitteln der Grundsatz gilt: "Es ist drin, was drauf steht." Wir
müssen uns darauf verlassen können, dass die öffentliche Verwaltung
frei von Durchstechereien und unbestechlich arbeitet, wie das dem
stolzen Ideal des deutschen Beamtentums entspricht. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass Ärzte uns richtig behandeln -und dass sie korrekt abrechnen. Das
sind Forderungen an jeden Einzelnen von uns, da, wo er Verantwortung
trägt. Wie aber kann der Einzelne motiviert werden, selber anständig zu
handeln und vertrauenswürdig zu sein, wenn er den Eindruck hat, das
große Ganze stimme nicht und der Ehrliche sei wirklich oft genug der
Dumme?
Das kann nur gelingen, wenn in der Politik
deutlich wird, dass es noch Zukunftsentwürfe gibt, Ziele -und den
nötigen Gestaltungswillen. Politik muss mehr sein als ein
Reparaturbetrieb gesellschaftlicher Verwerfungen. Politik muss
gestalten und darf nicht der Wirklichkeit hinterherhinken. Politik muss
mehr sein als die möglichst geschickte Form, das zu kommentieren, was
ohnehin geschieht.
Wir müssen den Primat der
Politik wieder gewinnen -einer Politik, die sich an Werten orientiert
und die sich nicht darauf beschränkt, tatsächliche oder vermeintliche
Sachzwänge zu exekutieren.
Politik muss wieder zeigen, dass es sie gibt und dass sie etwas für die Menschen bewirken kann.
Neues
Vertrauen in staatliches Handeln wird aber nur wachsen, wenn in Politik
und Verwaltung solide gearbeitet wird. Dazu gehört die ernsthafte
Auseinandersetzung mit allen Sachfragen, bis ins kleinste Detail. Dazu
gehört die Einsicht, dass politische Entscheidungen ihre Zeit brauchen,
wenn sie vernünftig sein sollen. Ein westfälischer Mathematiklehrer hat
einmal ganz schlicht gesagt: "Richtigkeit geht vor Fixigkeit".
Politik
muss Probleme lösen. Diese Forderung richtet sich an die politisch
Verantwortlichen auf allen Ebenen, denn Bund, Länder und Gemeinden sind
vielfältig aufeinander angewiesen. Keine politische Partei kann heute
nur auf andere zeigen, wenn es darum geht, Veränderungen durchzusetzen.
Ich sage das ausdrücklich an die Adresse aller
politisch Handelnden in Regierung und Opposition. Es ist ein Ausdruck
von Verantwortungslosigkeit, wenn eine Regierung Vorschläge nur
deswegen ablehnt, weil sie von der Opposition kommen, obwohl sie sie
insgeheim für vernünftig hält. Und es ist genauso Ausdruck von
Verantwortungslosigkeit, wenn eine Opposition vernünftige Vorhaben nur
deshalb scheitern lässt, weil sie von der Regierung kommen, obwohl sie
sie selber genauso durchsetzen würde, wenn sie an der Macht wäre.
Wer
das von fast allen als richtig Erkannte allein aus wahltaktischen
Motiven blockiert, mag zwar hoffen, kurzfristig Zustimmung zu gewinnen.
Langfristig wird aber unser ganzes Land verlieren.
IX. Eines
müssen wir wieder entdecken: Wir können politisch gestalten, wir können
Weichen stellen. Wir können sagen, wohin die Reise gehen soll. Dazu
braucht es den politischen Willen, den Willen zur Politik. Große
Spiele, sagt man im Fußball, werden im Kopf entschieden. Da ist viel
dran. Was sich ändern muss, das ist die Haltung, die viele resignieren
oder Abschied nehmen lässt von Politik und Staat. Diese Haltung führt
letztlich dazu, dass unsere Gesellschaft auseinander fällt und dass
jeder versucht, irgendwie für sich allein durchzukommen. Das aber wird
nicht gut gehen.
Wir müssen wieder begreifen: Der
Staat, die Gesellschaft, das Land, das sind wir, das ist jeder
einzelne. Das ist unsere gemeinsame Sache und diese gemeinsame Sache
können wir selber gestalten. Wir hören oft, man müsse die Menschen
"mitnehmen", zum Beispiel auf den Weg der Reformen. Das ist gewiss
richtig. Orientierung und Führung sind notwendig.
Genauso
notwendig ist es aber, auf die Menschen zu hören. Deshalb müssen wir
uns neue Gedanken darüber machen, wie sich die Menschen besser und
stärker an den Entscheidungen beteiligen können. Wir brauchen neue
Ideen und Möglichkeiten für Mitgestaltung und Partizipation in unserer
Gesellschaft. Wir müssen politische Willensbildung unter den heutigen
Bedingungen besser organisieren.
Unser
demokratischer Staat ist mehr als ein Dienstleistungsbetrieb und auch
mehr als eine Agentur zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Der Staat
schützt und stärkt die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger auch vor den
gesellschaftlichen und ökonomischen Kräften, die die Freiheit des
Einzelnen längst viel stärker bedrohen als jede Obrigkeit. Dazu legt er
auch Regeln und Pflichten zu Gunsten der Gemeinschaft fest. Damit
schafft der Staat Freiräume gegen puren Ökonomismus und gegen das alles
beherrschende Dogma von Effizienz und Gewinnmaximierung.
Es
gibt eine gefährliche Wechselwirkung von Staats- und
Politikverdrossenheit auf der einen Seite und den allzu pauschalen
Forderungen nach Privatisierung, Deregulierung und Rücknahme
staatlicher Verantwortung auf der anderen Seite.
Die
solidarische Absicherung gegen die großen Lebensrisiken, die sozialen
Ausgleich in unserer Gesellschaft schafft und damit soziale Stabilität,
wird immer häufiger verächtlich gemacht. Sozialer Ausgleich und soziale
Gerechtigkeit, so heißt es, bedrohten die Freiheit des Einzelnen. In
Wirklichkeit ist es doch immer noch so, dass die Freiheit der meisten
Menschen, dass ihre Chancen, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen
zu gestalten, ganz wesentlich von der gesellschaftlich organisierten
Solidarität abhängt.
Gewiss: Eigene Verantwortung
und eigene Anstrengung sind notwendig und unverzichtbar. Mehr
Eigenverantwortung darf aber nicht heißen, dass die Starken sich nur
noch um sich selber kümmern und die anderen sehen sollen, wo sie
bleiben.
Solidarität der Schwachen mit den
Schwachen -das genügt nicht. Arbeitende für Arbeitslose, Junge für
Alte, Gesunde für Kranke, Nichtbehinderte für Behinderte: Darauf bleibt
jede Gesellschaft angewiesen.
X. Wer
politisch vertrauenswürdig sein will, der darf nicht über jedes
Stöckchen springen, das Interessenvertreter oder Medien ihm hinhalten.
Da wird ein Fall von angeblichem Sozialmissbrauch im Ausland medial
groß aufgemacht -der bei Licht besehen gar kein Skandal ist- und
schon werden Gesetze geändert. Ähnliches ließe sich im Zusammenhang mit
der Gesundheitsreform sagen, ähnliches von der Steuerreform.
Wenn
eine angeblich benachteiligte Gruppe nur laut genug schreit oder der
blanke Populismus publizistisch Verstärkung erfährt, sind die Vorhaben
von gestern heute schon nichts mehr wert. Das zeugt nicht von
Souveränität. Es schafft vielleicht kurzfristig Applaus, aber nicht
langfristig Vertrauen. Vertrauen gewinnt politisches Handeln durch
Souveränität und Solidität. Kurzfristiger Aktionismus schafft eher
Misstrauen, weil man dann nur darauf wartet, welches Thema wohl morgen
hochgespielt wird. Vertrauen entsteht nur da, wo man einen klaren Kurs
erkennen kann.
Vertrauen setzt voraus, dass es
klare Verantwortlichkeiten gibt und dass sie klar erkennbar sind. Jeder
Interessierte sollte wissen können, wer für welche Entscheidungen
verantwortlich ist. Das ist aber heute kaum mehr möglich.
Die
politisch Verantwortlichen vom Bund bis zu den Gemeinden sind heute zu
oft in einer Verflechtungsfalle gefangen. Diese Blockade muss aufgelöst
werden. Die institutionalisierte Verantwortungslosigkeit muss aufhören.
Genau das muss die Föderalismuskommission zustande bringen.
Zur
Ehrlichkeit gehört es darum auch zu sagen, dass vieles aus guten
Gründen längst nicht mehr in Deutschland entschieden wird, sondern auf
europäischer Ebene. Übrigens: Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Politik
werden auch dann beschädigt, wenn Politiker etwas als Ausgeburt der
Brüsseler Bürokratie an den Pranger stellen, was sie selber in Bund
oder Ländern beschlossen und der Europäischen Union vorgeschlagen haben.
XI. Die
Medien spielen in der demokratischen Gesellschaft eine besonders
wichtige Rolle als Kontrollinstanz. Sie tragen besondere Verantwortung.
Unabhängige Medien, die sogenannte vierte Macht im Staat, können und
müssen dazu beitragen, dass politische und gesellschaftliche
Zusammenhänge durchschaubar werden. Sie können und sollen Missstände
und Skandale aufdecken, komplizierte Zusammenhänge erläutern,
Hintergründe darstellen und Interessenkonflikte offen legen. Das ist in
unser aller Interesse.
Wir müssen aber darauf
vertrauen können, dass das Bild, das sie uns von der Welt zeigen,
einigermaßen mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Auch
hier haben viele Menschen inzwischen viel Vertrauen verloren. Sie haben
gelernt, dass man nicht nur mit Schlagzeilen, sondern auch mit Bildern
lügen kann, dass halbe Wahrheiten oft schlimmer sind als ganze Lügen,
dass nicht alle Themen, die groß aufgemacht werden, wirklich wichtig
sind.
Die Medien haben Macht. Oft ist der Grat
schmal zwischen scharfer Kritik, die berechtigt ist, und der
publizistischen Jagd auf einen Menschen, für die es keine
Rechtfertigung geben kann.
Vieles in unserer
Gesellschaft, vieles in Politik und Wirtschaft gibt wahrlich Anlass zu
Kritik. Die kritische Auseinandersetzung mit Fehlern und Mängeln kann
das Vertrauen stärken. Es gibt aber auch in den Medien eine fatale Lust
an Schwarzmalerei und klischeehafter Übertreibung. Diese Lust fördert
die Entfremdung der Bürger von Politik und Staat.
Der
ökonomische Erfolg allein, der Blick auf Quote und Auflage darf die
Grundregeln journalistischer Arbeit nicht außer Kraft setzen.
Intendanten und Verleger, Chefredakteure und Journalisten -sie alle
tragen Mitverantwortung für das Gemeinwesen, das auch durch Häme und
Zynismus in Gefahr geraten kann.
XII. Wir müssen die Vertrauenskrise überwinden. Wir müssen vor allem wieder Vertrauen in uns selber gewinnen.
Wir
müssen uns immer wieder selber klar machen und mehr darüber sprechen,
dass es für uns Deutsche gute Gründe gibt, mit Zuversicht und Vertrauen
in die Zukunft zu schauen.
Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen können nicht wachsen ohne das Bewusstsein davon, wer wir sind und woher wir kommen.
In
den letzten Jahren haben sich viele Mitbürgerinnen und Mitbürger neu
für unsere Geschichte interessiert. Ich verstehe das als Teil einer
Suche nach Identität und Selbstvertrauen.
Dabei gilt für unser Land das gleiche wie für jeden einzelnen Menschen.
Jeder
Mensch braucht ein positives Bild von sich selber und strebt danach es
zu haben. Gewiss: Jeder Mensch hat in seinem Leben Gutes und Schlechtes
erlebt. Aber er kann nicht auf Dauer mit sich selber im Reinen sein,
wenn er allein das Schlechte über sein Selbstbild bestimmen lässt.
Auch
eine Nation braucht insgesamt ein positives Selbstverständnis und ein
positives Verhältnis zu sich selber. Nur so kann sich ein Wir-Gefühl
entwickeln, das die Grundlage jeder Nation ist. Neben den Erinnerungen
an Niederlagen und an Versagen müssen auch Erinnerungen an Erfolge und
Glück stehen. Und ein Blick in unsere Geschichte zeigt nicht nur die
furchtbaren Verirrungen und Katastrophen, er zeigt auch, dass
politischer Wille und gesellschaftliche Kraft Veränderungen zum Guten
bewirken können. Solches Vertrauen in die eigene Kraft brauchen wir.
Vor
wie vielen Problemen und Herausforderungen standen wir vor zwanzig oder
fünfundzwanzig Jahren! Wir hatten es mit Schwierigkeiten zu tun, die
vielfach als unlösbar galten -und die dennoch gemeistert wurden. Im
Rückblick wissen wir auch, dass es eine Reihe von Entwicklungen gegeben
hat, die niemand voraussehen konnte, Entwicklungen, die uns viel Gutes
gebracht haben.
Der Fall der Mauer und die europäische Einigung sind die beiden herausragenden Beispiele dafür.
Nie
war das Leben der großen Mehrheit in Deutschland freier und
individueller als heute. Gewiss: Es gibt auch die Gefahr der
Vereinzelung, der Auflösung sozialer Bindungen. Aber alles in allem
hatten noch nie so viele Menschen so viele Lebenschancen wie heute.
Unsere
deutsche Gesellschaft ist weltoffen und -auch im Vergleich zu anderen
Ländern- tolerant gegenüber Minderheiten. Das merken Besucher, die zu
uns nach Deutschland kommen, oft stärker als wir selber.
Auf meinen Reisen habe ich immer wieder erfahren, wie groß in allen Teilen der Welt das Vertrauen in uns Deutsche ist.
Das
sind positive Entwicklungen, die man nicht voraussehen konnte. Auch
manche Ängste und Befürchtungen sind nicht wahr geworden.
Da
war vor allem die Angst vor einer atomaren Schlacht zwischen den
Supermächten, ausgetragen in Europa, auch auf deutschem Boden, und da
war die Angst vor einer ökologischen Katastrophe, die über viele Jahre
auch in anderen Ländern mit dem deutschen Wort "Waldsterben" verbunden
war.
Beides ist nicht wahr geworden. Nicht, weil
ein Wunder geschehen wäre, sondern weil Menschen Einsicht und
Veränderungsfähigkeit bewiesen haben und weil sie mit Engagement für
ihre Ziele gearbeitet haben.
Wahrscheinlich gibt
es kein zweites großes Land auf unserer Erde, in dem die Menschen
umweltbewusster leben als in Deutschland. Wer hätte geglaubt, dass
Deutschland tatsächlich den Umstieg auf eine Energieversorgung ohne
Atomkraft beschließt! Selbst wer diese Entscheidung für falsch hält,
muss anerkennen, dass auch das ein Beispiel dafür ist, dass viele
Einzelne, die sich zusammen tun, politisch tatsächlich etwas bewegen
können.
Wir sollten uns gelegentlich auch an die
gewaltigen Veränderungen der Wirtschaftsstruktur in Deutschland
erinnern. Seit über vierzig Jahren schon erleben wir an vielen Orten
und in vielen Regionen einen atemberaubenden Strukturwandel. Wir leben
ja nicht erst seit gestern in einer Zeit des permanenten Wandels und
Aufbruchs. Da ist nicht nur vieles weggebrochen. Da ist auch durch
Ideenreichtum und Tatkraft vieles geschaffen worden -im Westen und im
Osten.
Das kann Hoffnung machen, dass es uns auch
in Zukunft gelingen wird, schwere Probleme zu lösen -auch solche, von
denen wir heute noch nicht wissen, auf welche Weise wir das am besten
schaffen können.
XIII. Auch heute ist unsere Gesellschaft nicht starr. Sie ist in Bewegung.
Wir
haben wagemutige Unternehmer, international renommierte Forscher und
Wissenschaftler, kreative Ingenieure und hervorragend qualifizierte
Arbeitnehmer. Sie schauen nach vorn und bringen unser Land voran.
Es
gibt viele gesellschaftliche Initiativen. Ehrenamtliches Engagement und
Netze, die für sozialen Halt sorgen, die Neues ausprobieren im kleinen
und werben für Veränderung im großen. Was an einem Ort gelingt, kann
durch die neuen Kommunikationsmittel schnell Schule machen und oft
weltweit Bedeutung bekommen.
Ich sehe, dass immer
mehr Menschen, auch unter den jüngeren, den Wert der Familie und den
Wert von beständigen, verlässlichen Bindungen wieder erkennen. Ich
sehe, dass Kinder mehr Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt bekommen -das
gibt ihnen unschätzbaren Halt und ein Grundvertrauen, das durch nichts
zu ersetzen ist.
Gegen alle pessimistischen Töne
dürfen wir auch nicht übersehen, wie viele traditionelle oder neue
Organisationen und soziale Zusammenhänge funktionieren und wie viel
Engagement und Solidarität in Nachbarschaftshilfe, in
Selbsthilfegruppen und in vielfältigen Formen ehrenamtlicher Arbeit
lebendig sind.
Junge Menschen haben einen hoch
entwickelten Sinn für Fairness und Respekt. Sie engagieren sich für
andere, sie tun ganz praktisch etwas gegen Hunger und Armut in der Welt
und für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Ihr Engagement
ist oft auf ein Projekt bezogen und nicht auf Dauer angelegt. Alle
Organisationen und Institutionen sollten solche Angebote machen und
zugleich Verständnis dafür wecken, dass eine lebendige Demokratie ohne
dauerhaftes, ohne verlässliches Engagement möglichst vieler nicht
existieren kann.
Mir macht auch Hoffnung, dass
viele junge Menschen sich in der Welt umsehen -nicht nur als
Touristen. Im Ausland arbeiten, studieren, für andere da sein -das
stärkt nicht nur die eigene Persönlichkeit, das formt oft auch einen
neuen Blick auf das eigene Land. Junge Menschen berichten dann oft,
dass sie unser Land mit einem gewissen Abstand gelassener sehen und
günstiger beurteilen.
Es gibt viele Gründe darauf
zu vertrauen, dass wir in Deutschland erfolgreich eine gute Zukunft für
alle gestalten können. Diese Gründe für Vertrauen und Zuversicht gibt
es, ohne dass irgend etwas schöngeredet werden müsste.
Wir
haben Gründe zu vertrauen, wenn jeder von uns und wenn wir alle
gemeinsam Verantwortung übernehmen -Verantwortung für uns,
Verantwortung für andere, Verantwortung für unser Land.
Es kommt auf jeden Einzelnen an, aber wer mehr Möglichkeiten, wer mehr Einfluss hat, der trägt auch eine größere Verantwortung.
82
Millionen Menschen leben in unserem Land, das sind 82 Millionen
verschiedene Erfahrungen, Begabungen, Stärken und Talente. Vieles davon
fließt in unsere Unternehmen, in die Schulen und Hochschulen, in Kunst
und Kultur. Dies Potenzial wird für unser Gemeinwesen noch viel zu
wenig erschlossen.
Viel zu häufig dient die
Kritik an konkreten Missständen als Ausrede dafür, sich nicht selber
einzumischen. Politik sei ein schmutziges Geschäft, ist nicht nur an
Stammtischen und in Vorstandscasinos zu hören. Aber da entstehen keine
Gesetze. Und vom Zuschauen wird keine Schule gebaut, kein Kindergarten
renoviert, keine Landschaft geschützt, keine Sozialstation unterhalten.
Ja,
wer etwas zu kritisieren hat an unserem Land, der soll das tun. Wer
aber etwas verändern will in unserem Land, der muss etwas tun. Er muss
sich einmischen, muss mitarbeiten, muss Verantwortung übernehmen für
unser Land.
Eltern übernehmen selbstverständlich
Verantwortung für ihre Kinder, sie mischen sich ein, sie sorgen und sie
helfen, damit ihre Kinder eine sichere Zukunft haben. Das gilt auch im
übertragenen Sinne:
Dieser Staat, diese
Bundesrepublik ist das Kind unserer Eltern und Großeltern und wir alle
haben von dem profitiert, was sie aufgebaut haben. Heute ist es an den
nächsten Generationen mitzuhelfen, dass unsere Zukunft sicher bleibt.
Das kann man auf vielen Ebenen und auf vielen Feldern tun: Als Mitglied
einer Partei, einer Kirche oder Gewerkschaft, im Sportverein, in der
Bürgerinitiative, bei Hilfswerken, in sozialen Einrichtungen oder
Verbänden oder wo immer Menschen sich zusammenfinden und Verantwortung
für sich und für andere übernehmen.
Es gibt
viele Möglichkeiten, etwas für andere zu tun -sie alle sind besser,
als nur über andere zu reden oder darüber zu klagen, wie schlimm die
Verhältnisse sind.
XIV. Es gibt genug Gründe für Vertrauen in Deutschland. Es gibt noch mehr Gründe, Verantwortung zu übernehmen und sich einzumischen.
Es
gibt genug Gründe, darauf zu vertrauen, dass wir in Deutschland die
Zukunft meistern werden. Es gibt noch mehr Gründe, sich einzusetzen für
unser Vaterland, in dem wir gerne leben.
Es liegt an jedem von uns, dieses Land, unser Land jeden Tag ein Stück besser und menschenfreundlicher zu machen.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.